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073 - Gedenkdienst gegen das Vergessen

Seit genau 33 Jahren gibt es in Österreich den Gedenkdienst, der an den Holocaust erinnert. Zunächst als Alternative zu Wehr- und Zivildienst gedacht, steht er inzwischen auch Frauen offen. Eine davon ist Miriam Bonaparte (24), die ein Jahr am Leo Baeck Institute in New York verbracht hat. Dort hat sie jüdische Geflüchtete sowie deren Nachkommen interviewt, um die Erinnerung an die Schrecken des NS-Terrors lebendig zu halten.

32 Min

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Der Gedenkdienst (wie in der hier abgebildeten Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem) ist ganz der Erinnerung an den Holocaust gewidmet.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

In dieser Folge unseres WZ-Podcasts „Weiter gedacht“ erzählt die Gedenkdienerin Miriam Bonaparte von den beeindruckenden Gesprächen, die sie mit den Zeitzeug:innen in New York geführt hat, aber auch davon, wie sie das jüdische Erbe in den USA wahrgenommen hat. Dass sie den einjährigen Gedenkdienst leisten will, war Miriam recht früh klar, zumal der Holocaust auch ihre eigene Familiengeschichte geprägt hat: Ihre Großmutter musste einst vor dem NS-Terror in die USA flüchten – und später als Kommunistin in der McCarthy-Ära (benannt nach dem US-Senator Joseph McCarthy, der die Verfolgung von echten und vermeintlichen Kommunist:innen in den 1940ern und 1950ern federführend vorantrieb) wieder das Land verlassen. Durch die Folge führen die WZ-Hosts Petra Tempfer und Mathias Ziegler, der mit Miriam über ihren Gedenkdienst gesprochen hat.

Gedenkdienerin Miriam Bonaparte im WZ-Studio
Gedenkdienerin Miriam Bonaparte im Gespräch mit WZ-Redakteur Mathias Ziegler.
© WZ/Petra Tempfer

Es ist die zweite von insgesamt fünf Folgen des Podcast-Schwerpunkts von „Weiter gedacht“ zum Zweiten Weltkrieg, der am 8. Mai 1945 in Europa zu Ende gegangen ist. Parallel dazu geht die WZ auch in Texten und Videos totgeschwiegenen Familiengeschichten aus der Zeit des Nationalsozialismus nach, um sie ans Licht zu bringen.

Produziert von „hört hört!“.


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Infos und Quellen

Gesprächspartnerin

Miriam Bonaparte ist 24 Jahre alt und hat ein Geschichtestudium begonnen, allerdings aus Zeitmangel neben ihrem Job im Kulturbereich wieder abgebrochen. Von September 2023 bis September 2024 hat sie ein Jahr als Gedenkdienerin am Leo Baeck Institute in New York verbracht, wo sie mit jüdischen Holocaust-Überlebenden, Geflüchteten und deren Nachkommen Interviews geführt hat. Die Geschichten, die sie dabei gehört hat, haben sie motiviert, nun ihr Geschichtestudium wieder aufzunehmen.

Daten und Fakten

Am 1. September 1992 haben die ersten Gedenkdiener ihren Einsatz an Holocaust-Gedenkstätten im Ausland begonnen, konkret im Museum Auschwitz-Birkenau, bei der Anne Frank Stiftung und in der Gedenkstätte Theresienstadt. Seither haben mehr als 1.300 junge Menschen Gedenkdienst geleistet. Zunächst als Ersatz für Wehr- und Zivildienst gedacht, steht der Gedenkdienst seit 2016 auch Frauen als Freiwilliges Soziales Jahr offen. Der Verein Gedenkdienst entsendet aktuell 18 Gedenkdienstleistende an seine Einsatzstellen im Ausland. Daneben gibt es den Verein Österreichischer Auslandsdienst, der neben dem Gedenkdienst auch Sozial- und Friedensdienst anbietet. Früher gab es noch eine weitere Trägerorganisation namens „Niemals vergessen“, die jedoch ihre Arbeit wegen der hohen bürokratischen Auflagen eingestellt hat. Der Gedenkdienst dauert ein Jahr. In dieser Zeit bekommt man eine gewisse Aufwandsentschädigung, muss aber Kost und Logis selbst bezahlen. Vor dem Gedenkdienst finden drei Vorbereitungsseminare in ganz Österreich statt, bei denen unter anderem Gedenkstätten besucht werden.

Der jüdische Bevölkerungsanteil in den USA wird – je nach Zählart – auf fünf bis neun Millionen Menschen geschätzt, also mehr als in Israel, wo rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden leben. Das sind genauso viele, wie vom NS-Regime im Holocaust ermordet wurden, wobei etwa vier Millionen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern starben und zwei Millionen durch Massaker in den von der Wehrmacht eroberten Gebieten in Osteuropa, vor allem im Russland-Feldzug. Wie viele Jüdinnen und Juden rechtzeitig flüchten konnten, dazu gibt es keine exakten Zahlen, weil die Quellenlage sehr lückenhaft ist. Schätzungen zufolge haben aus dem Deutschen Reich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 bis zum allgemeinen Ausreiseverbot 1941 rund 60 Prozent der jüdischen Bevölkerung das Land verlassen, das waren etwa 300.000 Personen. Knapp die Hälfte von ihnen ist in den USA gelandet. Heute wird die jüdische Bevölkerung weltweit auf knapp 17 Millionen Menschen geschätzt. Ungefähr so viele dürften es vor Beginn des Holocaust gewesen sein.

Quellen

Das Thema in der WZ